Stellungnahme der Geschäftsführung von wertkreis Gütersloh zur Trennung der AWO vom Berufskolleg für das Sozial- und Gesundheitswesen in Bielefeld
Gütersloh, den 25. August 2022 – Wer unterstützt eigentlich in Zukunft Menschen mit Behinderung, wenn den schulischen Teil der Ausbildung niemand mehr leisten kann? Heilerziehungspfleger begleiten und unterstützen Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder seelischer Behinderung aller Altersstufen, um deren Eigenständigkeit zu stärken und sie zu einer möglichst selbstständigen Lebensführung im Alltag zu befähigen. Man findet sie in KiTas, in Werkstätten für Menschen mit Behinderung, in besonderen Wohnformen, als Qualifizierer, als Sozialarbeiter oder als Inklusionshelfer.
Ein wichtiger Job für die Gesellschaft, aber ein sogar unerlässlicher Job für viele, viele Menschen mit Behinderung im Land und in der Region. Für die Menschen, für die wir beim wertkreis da sind, sind die HEPs – wie wir umgangssprachlich sagen – so viel mehr als nur Mitarbeiter in einem sozialen Unternehmen. Sie sind Unterstützer, Ermutiger, Lösungsfinder, Alltagsgestalter, Ansprechpartner und Wegefinder in allen Lebenslagen. Um es noch direkter zu sagen: Sie sind unverzichtbar.
Nun hat uns im wertkreis die Nachricht erreicht, dass die AWO sich von ihrem Berufskolleg für das Sozial- und Gesundheitswesen in Bielefeld, in dem junge Menschen zu Erziehern, Kinderpflegern oder Heilerziehungspflegern ausgebildet werden, trennen wird. Am Berufskolleg der AWO nehmen seit Jahren viele Auszubildende der Arbeitsbereiche für Menschen mit Behinderung und auch angehende Erzieher in unseren KiTas den schulischen Teil ihrer Ausbildung wahr. Das soll nun ab 2023 Geschichte sein, so lesen wir.
Diese Information bekommen Schüler und Träger zwei Wochen nach Schulstart. Ein schlimmer Zeitpunkt für alle Betroffenen. Wie Sie sich vorstellen können, hat die Nachricht in weiten Teilen unserer Belegschaft für große Betroffenheit und mindestens ebenso großen Ärger gesorgt. Vor allem für die aktuellen Auszubildenden bedeutet sie Unsicherheit und große Zukunftssorgen. Es ist selbstverständlich, dass wir alles tun werden, um unsere Auszubildenden in dieser Situation zu unterstützen.
Für die Zukunft der Heilerziehungspflege aber - und damit für alle Träger der Eingliederungshilfe in der Region - ist das alles nicht nur kurzfristig eine denkbar schlechte Nachricht. Wo sollen die Heilerziehungspfleger und Erzieher in Zukunft herkommen, wenn Träger für den schulischen Ausbildungsteil fehlen? Wie viel schwerer soll es werden, Erzieher für die Betreuung unserer Kinder auszubilden? Wer soll in den kommenden Jahren Menschen mit Behinderung unterstützen? Welche Bildungseinrichtungen können diesen Verlust jetzt adäquat und kurzfristig auffangen, ohne dass angehende HEPs und Erzieher weite Fahrtwege in Kauf nehmen müssen – was die Ausbildung ja nicht unbedingt attraktiver macht? Es braucht eine Besinnung und Diskussion darüber, wie wichtig uns als Gesellschaft bestimmte Berufsbilder tatsächlich sind und wo das Beklagen des Fachkräftemangels Phrase geworden ist. Welche zusätzlichen Unterstützungswege lassen sich für Berufskollegs schaffen, in denen für die sozialen Berufe ausgebildet wird?
Sparen wir hier weiter am - mit Verlaub - falschen Ende, wird sich auch die Heilerziehungspflege - und damit die Unterstützung einer großen Gruppe von Menschen unseres doch vorgeblich so inklusiven Landes – bald zu den Berufsbildern aus Pflege und Erziehung, in die Gruppe der besonders gefährdeten Arten unter den unerlässlichen Dienstleistungen in dieser Gesellschaft einreihen.