Stellungnahme und häufig gestellte Fragen zur Situation der Arche

18.08.2023
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Zur Schließung unserer Kurzzeitpflegeeinrichtung für Kinder und Jugendliche Die Arche in Halle hatte wertkreis Gütersloh bereits informiert. Der Schließtermin war für Anfang / Frühjahr 2024 avisiert. Bis dahin, so war es unser Ziel, sollte der Betrieb normal weitergeführt werden.

Leider kann der wertkreis den Betrieb der Arche aufgrund von hohem Krankenstand und daraus resultierendem mangelnden Fachpersonal zurzeit nicht aufrechterhalten und hat darum den Betrieb der Arche vorübergehend einstellen müssen. Die personelle Situation machte ein umgehendes Handeln im Sinne der dort betreuten Kinder leider kurzfristig nötig. Kinder, die zu diesem Zeitpunkt in der Kurzzeitpflegeeinrichtng waren, mussten von ihren Eltern abgeholt werden.

Uns erreichen nun Fragen, die wir hier gern beantworten würden.

 

Wird die Arche wieder öffnen?

Wir wünschen uns das, können das aber zum aktuellen Zeitpunkt nicht sagen, ob das nochmal der Fall sein kann. Eine Wiederöffnung hängt von der personellen Entwicklung der Einrichtung ab.

 

War die Aussetzung des Betriebs wirklich nötig?

Wir dürfen und können mit der aktuell noch verbleibenden Fachkraftquote keine Kinder betreuen, da wir uns sonst einer Kindeswohlgefährdung nach § 8a schuldig machen können. Härten aufgrund von Krankheitswellen oder kurzfristigen Beschäftigungsverboten sind in diesem Bereich kaum zu kontrollieren. Um ihnen zu begegnen, halten wir in der Arche seit Jahren mehr Personal vor, als refinanziert wird, um ggf. nachsteuern zu können. Diese Reserve ist angesichts der geplanten Schließung ebenfalls aufgebraucht. Aufgrund der Schließung haben auch einige Mitarbeitende das Unternehmen verlassen, andere entscheiden sich aktuell, ob sie intern wechseln möchten.

 

Was sagt der wertkreis den Eltern, die jetzt gebuchte Urlaube nicht antreten können?

Natürlich empfinden die Eltern das jetzt als eine absolute Zumutung, darum lässt sich hier nicht viel sagen, außer, dass es uns sehr leidtut und wir den Ärger gut verstehen. Nichtsdestotrotz hatten wir keine Alternative. Wir dürfen Kinder nicht ohne Fachkräfte betreuen. Damit würden wir die Kinder gefährden. Hier muss man unseren Auftrag mit der Arche auch losgelöst von den familiären Krisensituationen sehen: Die Kinder sind, wenn sie bei uns sind, unsere Verantwortung.

Angehörige wurden sowohl in schriftlicher Form, als auch bei Buchungsgesprächen im Vorhinein mehrfach darauf hingewiesen, dass wir ein Aufrechterhalten jeder Buchung von der personellen Situation abhängig machen müssen.

 

Schließt der wertkreis die Arche, wegen anhaltendem Personalmangel?

Nein.

Dass die Arche aktuell den Betrieb nicht aufrechterhalten kann, ist das Resultat eines akuten Personalmangels.

Dass wir die Arche schließen, ist nicht auf Personalmangel zurückzuführen, sondern auf eine mehrere Jahre anhaltende Minderauslastung.

Nachweislich waren in der Arche – bis auf eine zweimonatige Situation 2021, in der wir den Betrieb ebenfalls einschränken mussten – sogar mehr VK tätig, als refinanziert sind. Diese MA waren bei uns, um Härten zu kompensieren.

 

Warum berichten Eltern wegen Absagen aufgrund von Personalmangel, wenn der wertkreis gleichzeitig eine volle Besetzung nachweisen kann?

Wenn Eltern berichten, dass ihre Kinder wegen Personalmangels nicht aufgenommen wurden, so kann das natürlich trotzdem sein und steht nicht im Widerspruch zur belegbar vollständigen Pflegefachkraftquote in der Arche.

Wegen Urlauben, beliebten Buchungszeiten wie den Ferien oder kleineren Krankheitswellen kommt bzw. kam das durchaus vor, auch eine personelle Reserve ist nicht immer ausreichend, je nachdem welche Umstände auf eine Einrichtung einwirken. Absagen hatten aber keine systemischen Gründe.

Im Detail sieht das dann so aus: Wir benötigen eine durchschnittliche Auslastung der Arche von neun Plätzen, um kostendeckend arbeiten zu können. Dass es trotzdem Wartezeiten und sogar Absagen geben konnte, liegt zum einen daran, dass bestimmte Termine im Jahr immer schnell voll ausgebucht sind, während andere große Zeiträume (außerhalb der Ferien, Feiertage, lange Wochenenden) weniger oder auch gar nicht nachgefragt sind. Obwohl die Auslastung insgesamt mangelhaft war und ist, können also bestimmte Stoßzeiten wie z.B. Ferienzeiten besonders stark nachgefragt sein, was zu Wartezeiten oder Absagen führt. Wir halten aber natürlich Personal für eine Durchschnittsbelegung von neun Gästen über das gesamte Jahr vor, eben nicht nur zu den angesprochenen Stoßzeiten. Neun Gäste werden in einem 1:3 Verhältnis bei uns betreut. In den stark nachgefragten Zeiten betreuen die MA, wenn es die Bedarfe der Gäste ermöglichen, auf einem Betreuungsschlüssel von bis zu 1:5. Darüber hinaus wird in der Regel nicht gegangen, da die Bedarfe und Bedürfnisse der Gäste eine angemessene Betreuung sonst nicht ermöglichen. Das führte in der Folge dann dazu, dass wir keine weiteren Anfragen mehr annehmen können und absagen, wenn der Betreuungsschlüssel nicht stimmt.

So könnte die Wahrnehmung eines Personalmangels entstanden sein.

 

Ist die aktuelle Betriebsaussetzung durch interne Wechsel selbst herbeigeführt worden?

Nein.

Intern sind Stand 18.08. noch keine Kräfte gewechselt. Die ersten Wechsel von Arche-Kolleg*innen in andere Bereiche des Unternehmens sind zum 1.9. genehmigt worden, weil der Krankenstand beim Pflegefachpersonal der Arche einen weiteren Betrieb aktuell nicht zulässt.

 

Warum finanziert der wertkreis die Arche nicht mit Geldern aus anderen Bereichen?

Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich erst einmal jedes Angebot aus der eigenen Finanzierungen heraustragen muss. Tragen heißt im Rahmen unserer Gemeinnützigkeit, das Erwirtschaften aller bestehenden Kosten und zukünftigen Investitionskosten. Das ist im Bereich Arche nicht gelungen. Wir sind, von Seiten der Leistungsträger, die stellvertretend für einen gesellschaftlichen Auftrag stehen, aber zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Dass für die Kurzzeitpflege darüber hinaus kein Geld da ist, hat nichts mit einer moralischen Priorisierung der einen Leistung des wertkreis’ über die andere zu tun. Es geht vielmehr darum, dass es sich etwa bei Werkstatt, Bildung, Inklusion, Kiebitzhof oder Wohnen um komplett unterschiedliche Bereiche handelt, als es die Arche ist. Bereiche, die getrennt voneinander nach unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben arbeiten.

Verkürzt: Es ist nicht erlaubt, Gelder aus dem Bereich, der nach dem SGB IX arbeitet, in einen Bereich, der nach SGB XI arbeitet zu übertragen.

Hierzu müssen wir erklären: Die Arbeit unserer Teilhabeangebote - etwa die Werkstätten wie der Kiebitzhof - sind nach dem Gesetzbuch SGB IX geregelt. Das SGB IX verfolgt den Zweck, Menschen mit Behinderung bzw. von Behinderung bedrohte Menschen bezüglich ihrer Selbstbestimmung und ihrer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern und Benachteiligungen so weit als möglich zu vermeiden bzw. entgegenzuwirken. Dazu gehören die Arbeitsbereiche der Menschen, denen wir arbeitsbegleitende Angebote wie Sport machen ebenso wie die, die auf dem Kiebitzhof Teilhabe erhalten. Der Pflegebereich der Arche arbeitet nach dem SGB XI. Das Elfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) enthält Vorschriften für die soziale Pflegeversicherung und bildet somit die Grundlage der Finanzierung von langfristig auftretenden Pflegebedürfnissen in der stationären und ambulanten Pflege. Der wertkreis unterhält nur zwei Einrichtungen, die nach SGB XI arbeiten: die Arche und das Altenzentrum Wiepeldoorn. In Arche und den anderen genannten Bereichen müssen wir nach dem neuen Bundesteilhabegesetz sehr detailliert aufführen, welche Leistungen wir erbringen, die refinanziert werden soll. Eine Übertragung wäre also nicht nur formal, sondern auch praktisch nicht möglich. Man kann sich nicht eine Leistung für den Werkstatbereich refinanzieren lassen kann, um das Geld dann aber zur Refinanzierung der Arche zu verwenden.

 

Kann man für solche Quersubventionierungen mit Rückstellungen arbeiten, wie im Westfalen Blatt am 19.8. geschrieben wurde?

Nein.

Rückstellungen werden in einem Jahresabschluss fast ausschließlich für Außenverpflichtungen gebildet. Außenverpflichtungen sind Zahlungen gegenüber Dritten oder im anstehenden Jahr absehbare Investitionen in die Erhaltung der Infrastruktur. Es sind aber keine Mittel, die ohne Weiteres für den weiteren Erhalt irgendeiner wertkreis-Einrichtung (Personalkosten u.Ä.) vorgehalten werden können.

 

Wirft der wertkreis den in der Arche buchenden Eltern vor, zu unflexibel bei ihren Terminwünschen gewesen zu und damit quasi selbst an der Schließung der Arche schuld zu sein – wie im Westfalen Blatt am 19.8. geschrieben?

Nein.

Ein solcher Vorwurf erscheint uns konstruiert. Die Eltern, die das beklagen, sind mit Sicherheit treue Gäste der Arche. Was sollen gerade diese Eltern also mit der fehlenden Resonanz zu tun haben? Nichts. Das erschien uns eigentlich offensichtlich.

Die fehlende Resonanz und damit eben auch die Schließung hat vielmehr damit zu tun, dass es schlicht nicht mehr Eltern, als die beständig Buchenden, zu geben scheint, die den Service der Arche nachfragen. Zur terminlichen Situation und den damit verbundenen Buchungssituationen haben wir in diesem Artikel bereits Stellung genommen.

 

Man fragt uns zur Zeit ebenfalls, mit Hinweis darauf, dass der LWL einen Neubau einer Arche-ähnlichen Einrichtung andernorts avisiert habe, der aber voraussichtlich erst in zwei Jahren zur Verfügung stehe: Warum kann der wertkreis nicht an zeitlichen Übergangslösungen mitwirken, sondern zieht so kurzfristig die „Reißleine“?

Wir tragen die Probleme in der Arche bereits seit einigen Jahren, weil wir immer die Bedürfnisse der Arche-Eltern vor wirtschaftliche Überlegungen gestellt haben, weil wir an dieses Angebot geglaubt und versucht haben, es im Sinne des Gesamtunternehmens zu stärken. Aber irgendwann muss man hier eine Entscheidung treffen, wenn sich die wirtschaftliche Situation nicht ändern lässt. Wir können, auch mit Blick auf die Verantwortung für über 1500 Menschen mit Behinderung im Werkstattbereich und mehrere Hundert im Wohnbereich, nicht einfach immer so weitermachen. Neue Konzepte und Ideen, die Zielgruppe zu erweitern haben sich in intensiver Diskussion und Abstimmung als nicht tragbar erwiesen. Maßnahmen und Veränderungen wie etwa das Hospizzimmer haben ebenfalls keinen Erfolg gebracht.

Um eine Arche in dieser Form und mit diesem Konzept weiterzutragen, bräuchte es neun Gäste pro Tag an 365 Tagen im Jahr: Diese Gruppe von Menschen gibt es in der Größe im Kreis Gütersloh nicht.

Wir beobachten in Bezug auf die Auslastung zudem, dass viele der "Stammgäste" der Arche erwachsen geworden sind bzw. erwachsen werden. Viele überschreiten mittlerweile das 18. Lebensjahr und können nur noch in Ausnahmen in der Arche sein, da die Arche ja eben eine Kurzzeitpflege für Kinder und Jugendliche ist. Die Möglichkeiten einer Buchung dieser Familien (mit Kindern über 18 Jahren) sind also ebenfalls endlich.

Gleichzeitig ist die Nachfrage von jungen Menschen mit Behinderung unter 18 Jahren aus dem Kreis Gütersloh derzeit so gering, dass eine Refinanzierung des Angebots auch in Zukunft nicht realisierbar ist. Die Zahl neuer Familien aus dem Kreis, die zu uns kommen, ist sehr niedrig.

Sollten wir angesichts eines wachsenden Defizits als Leistungserbringer und Rezipient öffentlicher Gelder nun zwei Jahre weitermachen, weil es eine neue Einrichtung theoretisch geben könnte?

Wir können aktuell nicht sagen, wie konkret diese angebliche neue Einrichtung überhaupt ist und haben auch erst nach der Entscheidung zur Schließung davon erfahren, dass es hierzu Gespräche geben soll. Ebenso wissen wir nicht, mit welchem Träger der LWL im Gespräch ist.

Es wäre darum gegen jede Vernunft, die Arche „auf Verdacht“ weiter offen zu halten.

 

Hat der wertkreis hier offen informiert?

Tatsächlich haben wir innerhalb von 24 Stunden nach der endgültigen Entscheidung des Aufsichtsrats zur Arche (21.6.) umgehend und unfassend informiert: Im Nachgang zur Aufsichtsratssitzung, wurde bereits am Abend (aufgrund eines anstehenden Urlaubs) der Vorsitz des Fördervereins informiert, am 22.6. wurde die Information an die Familien postalisch verschickt, der Bürgermeister der Stadt Halle telefonisch ins Bild gesetzt, eine Informationsveranstaltung für die Mitarbeitenden der Arche fand auch am Nachmittag des 22. statt, am Abend des selben Tages wurde der Vorstand des Fördervereins zu einem Treffen geladen und informiert, und auch alle weiteren Mitglieder des Vereins, deren Mailadressen vorlagen, wurden noch am selben Abend angeschrieben. Die Gesamtbelegschaft des wertkreis’ wurde am Nachmittag des 22.6. per Newsletter informiert, ebenso wie alle externen Abonnenten und die Information fand sich ab dann auch öffentlich auf der Internetseite.

Was eine Information im Vorfeld angeht, so kennen wir die Position der Eltern und haben sie jederzeit bei allen Überlegungen berücksichtigt: Sie wollen den Erhalt der Arche und sind sehr engagiert, wenn es darum geht, daran mitzuhelfen. Über die vergangenen Jahre waren sie es, ihre Bedarfe und die ihrer Kinder, warum wir die Arche unbedingt erhalten wollten und darum jede Alternative und Nutzungserweiterung geprüft haben, bevor wir uns zur Aufgabe des Angebots entschließen mussten.

Diese Entscheidung fühlt sich für die Eltern in ihrer Situation natürlich nicht fair an, das ist allen Verantwortlichen vollkommen klar, aber sie wurde mitnichten leichtfertig getroffen.

Gespräche mit den Arche-Eltern werden seitdem durchgehend geführt. Es gab zudem einen gemeinsamen Termin mit LWL und dem Kreis Gütersloh. Auch die Politik halten wir regelmäßig auf dem Laufenden. Grundsätzlich gilt: Der wertkreis hat sich während des gesamten Vorgangs für einen Weg der Transparenz und Offenheit entschieden. Der wertkreis hat jede Frage zu diesem Thema beantwortet und geht jedem Gesprächsangebot nach.

 

Welche Alternativen bietet der wertkreis den Eltern?

Wir haben kurzfristig drei (ggf mehr) Kurzzeitpflegeplätze für Menschen mit Behinderung über 18 Jahren, die Gäste der Arche sind, im Altenzentrum Wiepeldoorn geschaffen. Die Arche-Eltern können sich das Angebot demnächst vor Ort ansehen - einige haben das auch bereits getan - und werden individuell entscheiden, ob das Angebot für ihr Kind passt. Natürlich kann der wertkreis aktuell nicht sagen, ob das von allen angenommen wird. Es ist der Versuch, in einem baulich abgetrennten Bereich dieser Einrichtung, der über qualifiziertes Pflegepersonal verfügt, eine Übergangslösung anzubieten.

 

Zieht sich der wertkreis aus Halle zurück und gibt den Standort auf?

Wir ziehen uns auch nicht aus Halle zurück, sondern planen am selben Standort ein Angebot, das mehr Menschen mit Behinderung aus der Region zugutekommen soll, als das mit der Arche möglich war. Wir wollen hier eine Einrichtung entwickeln, die junge Menschen mit Behinderung auf einen Weg der Selbstständigkeit bringt, der ihnen das Leben allein oder in ambulant unterstütztem Wohnen ermöglicht und sie hierauf vorbereitet. Ein Angebot, das den hohen Bedarfen in der Stadt und im Kreis sowie dem politischen Wunsch, der mit der Ratifizierung der UNBRK und dem BTHG geäußert wird, nach selbstbestimmten Wohnen für Menschen mit Behinderung, entgegenkommt.

 

Stimmt es, dass bereits zum Monatsende eine "closing party" in der Arche geplant ist? 

Wir haben auf informellem Weg davon erfahren, dass eine solche Abschlussfeier von Arche-nahen Personen geplant wurde. Während wir den Gedanken einer großen Abschlussfeier begrüßen und befürworten, hatte der wertkreis vielmehr vor, eine solche Feier auch mit dem offiziellen Enddatum der Arche zu verknüpfen und nicht schon jetzt zu feiern. Wir wünschen uns hier ein einheitliches und gemeinsames Wirken und Sprechen und eine große gemeinsame Abschiedsfeier mit allen Beteiligten gegen Jahresende.

 

(Update der Stellungnahme erfolgte am 19.08. 11:55 Uhr)